Dienstag, 6. April 2010

Das ägyptische Fatwa-Amt


Der nächste Termin führte uns zu Dr. Ibrahim Negm, dem Pressesprecher des Grand Mufti von Ägypten. Vor Beginn des Gespräches wurde von den weiblichen Besucherinnen die Verhüllung der Haare erbeten.



Achmad, Gabi, Christine, Christiane


Die zweithöchste religiöse Funktion in Ägypten nach dem Sheik der al – Azhar obliegt zur Zeit Dr. Ali Gomaa, der im Jahre 2003 von Präsident Mubarak zum Grand Mufti ernannt wurde. Er steht dem Dar al – Ifta´ vor, einer der wichtigsten Institutionen für religiösen Rat in der arabischen Welt.

Nach einem Bachelor of Commerce an der Ain Shams Universität widmete Dr. Al Gomaa seine Studien dem Islam und erwarb einen Doktor der Kairoer Al – Azhar Universität in islamischem Recht. Sein akademischer Hintergrund ist allerdings nur eines der Kriterien, die für seine Position nötig sind.
Die zweite Voraussetzung ist die langjährige praktische Auseinandersetzung mit Ethik und Werten des Islam im Leben der Menschen. Erst wenn beide Bedingungen erfüllt sind, kann ein Gelehrter wie Dr. Gomaa religiösen Rat in der Form von Fatwas erteilen. Die Fatwas dienen der Orientierung der Muslime, sind aber nicht verbindlich.

Dr. Ibrahim Negm betont, dass Dr Gomaa bekannt ist für seine gemäßigten Ansichten und dass er auch als scharfer Kritiker extremistischer Ideologien gilt.


Dr. Ibrahim Negm
Press counsellor of Dar al Ifta´

Dr. Negm hat in Amerika studiert, seine Präsentation für uns ist genauso professionell wie der Vortrag eines Pressesprechers eines multinationalen Unternehmens.

Jeder Muslim kann sich mit einer Frage an das Dar al – Ifta´ wenden. Es geht dabei meist um familiäre Probleme, Erbschaftsfragen, nachbarschaftliche Beziehungen und bei jungen Menschen auch oft um Fragen zu den Geschlechterbeziehungen. In vielen Fällen verhindert die Beratung eine gerichtliche Auseinandersetzung.

Im ägyptischen Fatwa-Amt arbeiten 35 Mitarbeiter, die sich nur der Beantwortung der Anfragen widmen. Die Einrichtung wird staatlich finanziert. Zu Beginn der Fatwa-Erteilung (die Gründung erfolgte 1895), war es üblich, dass die Streitparteien geschlossen vor dem Mufti erscheinen. So konnte die Fatwa allen Beteiligten direkt vermittelt werden.

Heute kann diese persönlich, per Post, Fax oder E-Mail oder auch telefonisch erfolgen. Viele Muslime leben ja auch in der Emigration.
Der Rat ist immer kostenfrei. In 95 % der Fälle handelt sich um wiederkehrende Fragen und Probleme, so dass die Beratung sehr schnell möglich ist. 5 % der Fragen müssen an das research council weitergeleitet werden und dauern dann länger. Bei der Beantwortung der Fragen sollen landesspezifische Eigenheiten und der jeweilige rechtliche Rahmen des Landes berücksichtigt werden.

Das Call Center wurde 2005 eingerichtet. Neben Arabisch, wird auch Englisch, Französisch und Deutsch gesprochen. Zwei Deutsch sprechende Mitarbeiter nehmen telefonisch täglich etwa 15 Anfragen entgegen.
Insgesamt sollen monatlich mittlerweile insgesamt etwa 40.000 Anfragen eingehen.

Die Homepage von Dar al – Ifta´ ist z. Zt. achtsprachig gestaltet.

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