Mittwoch, 31. März 2010

Agents of change – Die Kinder von Alwan wa Awtar

Im Jahr 2002 erleichterte der Gesetzgeber die Gründung von NGOs in Ägypten. Im Zuge des Booms an Neugründungen ist auch Alwan wa Awtar 2005 entstanden, ein Projekt, das sich mit Kindern und Jugendlichen von Mokattam befasst.



Ali, Ibrahim, Ahmad

Nach einem schweren Erdbeben im Jahre 1992 wurden viele Familien aus Mokattam aus ihrem bisherigen Umfeld in neuerrichtete Häuser der Regierung umgesiedelt. Die Menschen, die als ihre Lebensgrundlage den Müll von Kairo verwerteten, waren nach ihrer Umsiedlung zusätzlich zu allen Überlebensproblemen auch noch entwurzelt und konnten über die Jahre nie eine Beziehung zu „ihrem“ neuen Stadtteil aufbauen. In diesem Zusammenhang fiel das besonders schwere Los der Kinder aus diesen Familien auf.

Azza Kamel, die ein Mikrokreditprojekt für Frauen in Mokkatam leitete, ging daran, für diese Kinder etwas zum Guten zu bewegen.


Azza Kamel
Executive Director, Alwan wa Awtar

In einer der von der Regierung bereitgestellten Wohnungen begann Alwan wa Awtar mit ca. 30 Kindern zu arbeiten. Die Skepsis der Eltern war groß.



Angeboten wurden zunächst einige wenige künstlerische Aktivitäten unter der Anleitung von Instruktoren.
Heute gibt es 18 Angebote. Theaterworkshops und die Beschäftigung mit Musik(instrumenten) sind ebenso dabei, wie Häkeln, Stricken, Origami oder PC- oder Englischkurse. Ziel ist nicht Perfektion. Und die Kinder und Jugendlichen sind mit Freude und Begeisterung dabei.





Auch die Eltern haben in der Zwischenzeit ihre Zurückhaltung überwunden. Die scheinbar „nutzlose“ Beschäftigung mit Kunst hat nämlich dazu geführt, dass die jugendlichen Teilnehmer sowohl in der Schule als auch in ihrer Familie als reifer und konzentrierter wahrgenommen werden.



Ali mit Christine im Interview


Die Strategie, den jungen Menschen Selbstbewusstsein über künstlerische Entfaltung zu vermitteln, zeitigt erstaunliche Erfolge und die Hoffnung von Azza Kamel, dass „ihre“ Kinder als „agents of change“ in ihrer community wirken werden, ist sicher realistisch. Mittlerweile kommen auch die Mütter in die angeschlossene Bibliothek zu Lese- und Filmabenden.



Nail und Christine im Interview mit Azza Kamel

Die Überzeugungskraft von Azza Kamel und ihre Leidenschaft für die Anliegen der Kinder sind ansteckend. Die Zahl der in der Einrichtung geförderten jungen Menschern ist mittlerweile auf 400 gestiegen.

Dienstag, 30. März 2010

Youth Bishop Moussa

(Ober)ägypten ist nicht frei von Spannungen zwischen Muslimen und Kopten.
Erst zum letzten Weihnachtsfest der Kopten gab es einen Anschlag in der Provinz Quena vor einer koptischen Kirche, bei dem sechs Kopten und ein muslimischer Wächter ihr Leben verloren (Siehe Artikel in: Al – Ahram Weekly vom 25.3. – 31.3.2010, S. 3).

Einen besonders warmherzigen Empfang erfuhren wir beim dritten Termin an diesem Tag bei dem koptischen Bischof Moussa, der auch den Titel „Pope of Youth“ trägt.
Dass er an den Kontakt mit jungen Menschen sehr gewöhnt ist, zeigte uns schon die Menge an Naschwerk, die liebevoll auf dem Tisch in seinem Empfangsraum drapiert war.



Nail al Saidi, DRadio Wissen; Christiane Wohlhaupter, Schwäbische Zeitung (vorne); Christine Auerbach, Bayerischer Rundfunk; Bischof Moussa; Achmad Abdelmonem, AKE-Bildungswerk e.V.; Klaus Komatz und Gabriele Sauermoser-Komatz, Archiv der Jugendkulturen e. V.

Auf dem Gelände der koptischen Kirche des heiligen Markus kann er nicht einfach seiner Wege gehen, weil ihn ständig Jugendliche aufhalten, die ihm unbedingt etwas erzählen müssen. Überhaupt war der großzügig angelegt Kirchplatz an diesem Sonntag voll mit jungen Menschen, die in Grüppchen beieinander standen und sich sichtlich gut unterhielten.




Bischof Moussa zeigte sich als ein großer Freund der Ökumene und betonte wie sehr er sich für die friedliche Koexistenz mit anderen Religionen speziell aber mit dem Islam einsetzt.
Sein kleiner historischer Abriss, dass „koptisch“ ursprünglich „ägyptisch“ hieß, war interessant. Eigentlich gibt es in Ägypten also nur christliche und muslimische Kopten (= Ägypter).




Bischof Moussa

Allerdings finden sich in seinen Schriften, die sich speziell an Jugendliche wenden, klare Richtlinien, dass man zwar freundlich mit den Andersgläubigen sein, sich aber nur mit Menschen innerhalb der eigenen Kirche wirklich befreunden sollte (Bischoff Moussa, Broschüre Youth Concerns, S.33 und 34).



Bischof Moussa

Schwester Catherine, eine sehr selbstbewusste und zugängliche Frau, machte uns mit den verschiedenen Einrichtungen auf dem Gelände bekannt.


Interview mit Schwester Catherine

Es gibt neben den Kirchen auch ein umfangreiches Archiv sowie ein Gebäude für die Ausbildung von koptischen Priestern. Viele davon stammen aus Oberägypten und werden nach ihrer Ausbildung auch dahin zurückkehren.

Aljazera Ideal Youth Center



Der Leiter des Centers Mohamed Swailam, ein ehemaliger Hockey – Spieler der ägyptischen Nationalmannschaft, erklärte und zeigte uns die Anlage. Die Jugendlichen zahlen einen Mitgliedsbeitrag und verbringen je nach Leidenschaft Zeit auf den Sportplätzen.
Es geht natürlich auch um Talentsuche, aber nicht darum Spitzensportler auszubilden. Jedenfalls wurde unter der Leitung von Mohamed Swailam in den vergangenen Jahren die Mitgliederzahl stark gesteigert.

Das Clubleben nach englischem Vorbild erfreut sich in Ägypten ohnehin größter Beliebtheit, wie an dem berühmten Al Ahly Club (Fussball) zu sehen ist, dessen Mitgliedsbeiträge astronomisch hoch sind und der trotzdem immer gut besucht ist.
In diesen Clubs wird die Basis für das Berufsleben gelegt. Ein gutes Netzwerk ist in Ägypten besonders wichtig.


Neben dem für uns ungewöhnlichen Boxring im Freien, sahen wir Fußballfelder, Hockeyfelder, eine Pferderennbahn und ein geradezu mondän anmutendes Schwimmbecken, das völlig ohne Gebrauchsspuren offensichtlich noch der Beschlagnahme durch Jugendliche harrt.


Mohamed Swailam, Aljazera Ideal Youth Center; Achmad Abdelmonem, AKE-Bildungswerk e.V. Vlotho

Mohamed Swailam ließ uns wissen, dass er ab Mai eine noch anspruchsvollere Tätigkeit übernehmen wird. Er ist dann für die Evaluierung aller 70 Youth Center in Kairo verantwortlich. Insgesamt soll es laut Herrn Swailam 1400 Youth Center in Ägypten geben.

Jugendarbeit in Ägypten

Das Thema der letzten Woche war „Jugend(sozial)arbeit in Ägypten“. Wir nahmen an einer Veranstaltung des Pressenetzwerk für Jugendthemen e.V. mit Sitz in Bonn teil. Dieses lädt Fachkräfte der Jugendhilfe und Journalisten zu Informationsreisen ein, die jeweils unter einem Themenschwerpunkt stehen.

Der „rote Faden“ der Reisen ist immer das Thema Jugend. Gemeinsam informieren sich die Teilnehmenden vor Ort in Projekten und Institutionen. Ihre Erfahrungen verbreiten sie anschließend in ihren Medien und Jugendeinrichtungen. Dieser Austausch findet seit ca. seit 20 Jahren auf Gegenseitigkeit statt.

Ungefähr genauso lang fungiert Dr. Mohamed Rashed als Dolmetscher und Mittler zwischen den Kulturen.


Dr. Mohamed Rashed, Universität Mainz

Der gebürtige Ägypter lebt in Frankfurt, arbeitet als Hochschullehrer für Orientalistik und ist wegen seiner interkulturellen Kompetenz wie kein zweiter geeignet, landeskundliche gesellschaftspolitische Fragen in Bezug auf Ägypten zu beantworten.

Die Partnerorganisation bei Reisen nach Ägypten ist das National Council for Youth.



Rania Samy, National Council for Youth


Dr. Mohamed Safi Eddin Kharboush begrüßte die Delegation.



Dr. Mohamed Safi Eddin Kharboush
Chairman of the National Council for Youth

Das wartende Fernsehteam bezogen wir zu Beginn gar nicht auf uns.
Als es allerdings nach Interviewwilligen aus unserer Gruppe verlangte, wurde uns klar, dass der Austausch mit Deutschland in Ägypten sehr ernst genommen wird.
Die ebenfalls anwesenden Fotografen wurden nicht müde, uns zu fotografieren und prompt fanden wir uns später auch in den beiden Zeitungen Al – Ahram Weekly und Rose el Youssef wieder.

Nach unserer Vorstellung und der Beschreibung unserer beruflichen Aufgaben erhielten wir alle ein Geschenk…


Nail al Saidi, DRadio Wissen; Dr. Kharboush; Rania Samy

… und dann wurden wir von Mohamed Ibrahim Khalil, dem Fahrer, der uns vom National Council for Youth für diese Woche zur Verfügung gestellt wurde, zu unserem nächsten Termin gefahren.

Preisrätsel 2010 (Teil 2)

Es gingen schon zahlreiche Übersetzungsvorschläge für das Horazzitat ein.

Aber es gibt noch eine zweite Möglichkeit sich zu beteiligen. Wir haben die Benennung der Meeresbewohner noch nicht durchgeführt. Sendet uns den lateinischen Namen der Muräne im Blogteil „Krake, Krokodilfisch & Co. (Teil 6)“! Auch dafür gibt es noch einen schönen Preis.

Freitag, 26. März 2010

El Nadwa – Ein Kaffeehaus in Kairo

Wenn man in islamischen Ländern lebt, wirkt das Fremde umso vertrauter, je länger man in ihm verweilt. Mit wachsender Entfernung zu den Gewissheiten Europas schlägt die Angst vor dem Verdrängten um in Faszination.
Die Zeit verliert sich in der orientalischen Altstadt, der Medina.
Das Licht, die Schatten, die mediterranen Farben. Die Hitze, die Gerüche. Vergessen die Rationalität, das Zielgerichtete, das Bewusste.
Man sitzt im Café und lauscht in die vielfältige Geräuschkulisse.

Michael Lüders, Ein nützliches Feindbild; in: KULTURAUSTAUSCH – Zeitschrift für internationale Perspektiven, Ausgabe II / 2009, S. 65



Ashur





 Achmed Bogy






Saeed Aly

Koushari

Zurück in Kairo.

Das Nationalgericht der Ägypter ist schnell zu haben und immer frisch.
In jeder belebten Straße braucht man nicht lange zu suchen, um in den Auslagen auf die charakteristischen Töpfe gefüllt mit Nudeln, Linsen, Reis, Kichererbsen und gerösteten Zwiebeln zu stoßen.


Schnell rein in den Laden und entweder für 2, 3 oder 4 ägyptische Pfund Koushari bestellen.
Man erhält eine Metallschüssel in der entsprechenden Größe und dazu ein kleines Schüsselchen mit heißer Tomatensauce.


 Auf den Tischen gibt es dann noch zwei verschiedene Gewürzsaucen, einmal Öl mit scharfen Gewürzen und einmal Essig mit Knoblauch. Dazu ein Löffel und der hungrige Gast kann loslegen.
Es schmeckt wunderbar und die Ägypter finden das offensichtlich auch, denn sie nutzen diese kleinen Lokale sehr rege.
Selbstverständlich gibt es dieses „fast food“ auch zum Mitnehmen, denn besonders die Ägypterinnen essen immer noch nicht gerne in der Öffentlichkeit.

Und alle Ägypter freuen sich, wenn es den Fremden schmeckt.

Bil hana we shifa!


Krake, Korallenwächter & Co. (Teil 6)









Krake, Korallenwächter & Co. (Teil 5)