Freitag, 18. Januar 2008

Offizier an der Grenze


Wir fahren morgens um 9 Uhr mit dem Schlafwagen von Haydarpasar los und sollen am nächsten Tag um 15 Uhr Aleppo in Syrien erreicht haben. Wir sind alte Hasen und wissen, dass es sich um eine liebenswerte Illusion handelt, die von der türkischen Bahn gern genährt wird, nur um im Anschluss von der Realität konterkariert zu werden. Das Abteil mit zwei Betten ist komfortabel und jede Verspätung ist akzeptiert und wird für Lektüre und Gespräche genützt. Diesmal ist der Schlafwagen ziemlich voll, wie immer handelt es sich um eine bunte Gesellschaft:

Ein Oranienburger, der in Damaskus einen Sprachkurs besucht, eine Hamburgerin, die dort irakische Flüchtlinge betreut, eine Gruppe von vier zwanzigjährigen philippinischen Jungs, die in Damaskus studieren, ein junger Neuseeländer, der schon überall in der Welt war (caution: the kiwis are taking over) und eine Gruppe von Syrern, mit denen wir leider wie so oft nicht sprechen können. Deren Frauen zeigen sich noch nicht einmal an der Grenze und ihre Abendtoilette scheint sehr aufwendig.

Die Nacht verläuft ruhig, wir erreichen die türkische Grenzstation Islahiye mit lächerlichen zwei Stunden Verspätung. Nach der türkischen Passkontrolle bleibt genug Zeit für einen Tee im Bahnhofsbufet. Der Zug wird nicht ohne uns losfahren, schließlich besteht er nur mehr aus unserem Schlafwagen und einer Diesellok.

Am Übergang zu Syrien wird uns erst so richtig bewusst, dass diese Grenze bald oder nicht so bald die Außengrenze der europäischen Union sein wird. Das Ausmaß der Veränderungen für die Bewohner wird groß sein, die Belastungen ebenso. Zurzeit wachsen die Kinder hier noch in einer verkehrsarmen Idylle auf und winken fröhlich den Reisenden im klapprigen Zug.


An der syrischen Grenzstation Meydan Ekbez heißt es nun, den auf der Zugfahrt gelernten entschleunigten Zeitbegriff auch anzuwenden.

Die syrischen Beamten haben das Sagen und es wird ausgefüllt, eingetragen, geplaudert, gestempelt, entschieden, genehmigt, geschäftig hin und her gelaufen. Der wichtigste Mann ist ein Offizier mit vier Sternen, der das letzte Wort hat.

Ihm werden die Papiere schlussendlich vorgelegt. Als ein Untergebener ihm einen Pass reicht, wird er plötzlich sehr unangenehm. Ohne ein einziges Wort Arabisch zu verstehen, werden wir Zeugen einer Abkanzelung. Der Beamte hatte nicht berücksichtigt, dass der Neuseeländer noch kein Visum für Syrien hat.

Wir stellen uns auf eine lange Wartezeit ein. Überaschenderweise wurde dieses Visum dann ungewöhnlich schnell ausgestellt und eine Viertelstunde später war alles erledigt. Die Erklärung war einfach: Syrien hat keine diplomatische Vertretung in Neuseeland.

Vielleicht wollte der syrische Offizier mit seiner Zurechtweisung demonstrieren wie sehr ihm an einer professionellen Abwicklung der Formalitäten liegt?

Der eingeschüchterte Grenzer hat jedenfalls während des gesamten Ausbruchs seines Vorgesetzten die Zigarette nicht aus der Hand gelegt. Rauchen im Beisein des Vorgesetzten scheint kein Verstoß gegen die guten Sitten zu sein.

Langsam schwankt der Zug Richtung Aleppo.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Diese Geschichte an der Grenze könnte aus dem Film "Die syrische Braut" stammen, der vor kurzem auf arte lief.